Heimische Ressourcen ohne CO2-intensive Transporte

Was ist eigentlich Kies?

Das Wort Kies bezeichnet sowohl eine Korngröße als auch ein sogenanntes Lockersediment. Als Kies werden gerundete Gesteins- oder Mineralkörner bezeichnet, die einen Korndurchmesser zwischen 2 mm und 63 mm aufweisen (DIN 4022) und damit gröber als Grobsand sind. Man unterscheidet Feinkies (2-6,3 mm), Mittelkies (6,3-20 mm) und Grobkies (20-63 mm). Kies ist ein typisches Sediment in fließenden Gewässern. Die einzelnen "Steine" werden im Verlauf des Transports in Bächen und Flüssen abgerundet und zerkleinert.

Kies als Abbauprodukt ist damit ein Lockergestein (genau wie Sand) im Gegensatz zu sogenanntem Hartgestein, wie etwas Splitt, der durch Abbruch/Sprengung in Steinbrüchen gewonnen wird.

Vorkommen am Niederrhein

Die Kies- und Sandvorkommen an Rhein und Maas haben sich in den Eiszeiten der letzten zwei Millionen Jahre angelagert. Die Urströme Rhein und Maas transportierten verwitterte Gesteinsmassen aus den südlich angrenzenden Mittelgebirgen an den Niederrhein und sorgten hier für eine einzigartige Aufschotterung der Flussterrassen. Durch die Strömungsdynamik des Rheins lagerten sich genau hier – z. B. am Grund oder entlang der ehemaligen Flussarme – Kiese und Sande ab.

Beim Blick auf die geologische Karte für Sand- und Kieslagerstätten in NRW wird sehr schnell deutlich, dass sich der Rohstoff Sand und Kies im Wesentlichen auf die Niederrheinische Bucht, d.h. den nordwestlichen Bereich NRWs, konzentriert. Die östliche Begrenzung dieser Region in NRW bildet eine Linie mit ungefährem Verlauf entlang der Städte Bonn - Köln - Düsseldorf - Duisburg - Bocholt, von Süden nach Norden. Die westliche Begrenzung entspricht dem Verlauf entlang der staatlichen Grenze zu den Niederlanden zwischen der Stadt Aachen im Süden und der Stadt Emmerich im Norden.

Diese eben beschriebene Fläche (dunkelgelb) entspricht zwar ca. 20 % der Fläche NRWs. Die wirtschaftlich verwertbaren Sande und Kiese, die für bautechnische Anwendungen (Hoch- und Tiefbau) geeigneten Materialien, konzentrieren sich jedoch in der Nähe des Rheins. Darüber hinaus setzt sich diese einzigartige Sand- und Kieslagerstätte im niederländischen Bereich der Niederrheinischen Bucht, also jenseits der Grenze im Bereich des weiteren Verlaufs des Rheins und entlang der Maas fort. Allerdings nehmen die Qualität und die Menge geeigneter Sande und Kiese für die Verwendung im Beton und in Betonwaren mit Annäherung zum Mündungsgebiet dieser beiden Flüsse stetig ab, da sich die Körnungsgröße zur Flussmündung hin immer mehr verkleinert.

Von eher untergeordneter Bedeutung, im Vergleich zu den Lagerstätten der Niederrheinischen Bucht, sind die Lagerstätten im oberen Verlauf der Lippe (zwischen Gütersloh und Paderborn, ca. 200 km östlich des Niederrheins) und an der Weser im äußersten Nordosten Nordrhein-Westfalens (bei Minden, ca. 230 km nordöstlich des Niederrheins).

Die aus der Niederrheinischen Bucht stammenden Sande und Kiese wurden im geologischen Erdzeitalter "Quartär" (beginnend vor ca. zwei Mio. Jahren bis heute) abgelagert und zeichnen sich durch eine hohe Qualität für die Verwendung in der Bauindustrie (Hoch- und Tiefbau) aus.

Der Grund für die Entstehung dieses qualitativ hochwertigen Rohstoffes lag in dem günstigen Zusammenspiel zwischen geologischen und klimatischen Verhältnissen während des Quartärs. Im Bereich der heutigen (holozänen) Flussaue des Rheins am Niederrhein bildeten sich Sand- und Kiesterrassen mit durchschnittlich 14 m Mächtigkeit. Aus geologischer Sicht wird das Erdzeitalter Quartär in die ältere Epoche "Pleistozän" - auch Eiszeitalter genannt - und die jüngere Epoche "Holozän" - auch jüngste Warmzeit genannt - unterteilt. Das Holozän dauert zurzeit noch an und repräsentiert lediglich die letzten 10.000 Jahre! Während des Pleistozäns wechselten sich Kaltzeiten (Eiszeiten) mit niedrigen Jahresdurchschnittstemperaturen immer wieder mit Warmzeiten mit höheren Jahresdurchschnittstemperaturen ab. Diese Klimaveränderungen hielten oft über einen Zeitraum von mehreren 10.000 Jahren an.

Aufgrund dieser Wechselfolgen ereigneten sich eiszeitliche Gletschervorstöße (Anger-, Elster-, Saale- und Weichseleiszeit) und Warmzeiten. Sie ließen die prägenden Landschaftsformen der Niederrheinischen Bucht wie aufgeschotterte Flussterrassen des Rheins, der Maas und deren Nebenflüssen sowie Endmoränen, Grundmoränen und Sanderflächen entstehen. Die Flusssysteme von Rhein und Maas sowie deren Nebenflüsse wurden während dieses Zeitraums immer wieder durch diese extremen Klimaschwankungen stark verändert. Bildeten sich in den kalten Perioden vorzugsweise "verwilderte Flusssysteme" aus, so waren es in den Warmzeiten bevorzugt "mäandrierende Flusssysteme". Die verwilderten Flusssysteme der Kaltzeiten zeichneten sich durch sehr starke Flussbettgefälle aus. Meeresspiegelabsenkungen von über 100 m gegenüber heutigen Verhältnissen waren keine Seltenheit. Ursache hierfür war, dass ein Teil des Meereswassers in Form von Eis und Schnee auf dem Festland der Nordhalbkugel der Erde - insbesondere in den Gletschern – gebunden war. Darüber hinaus stellten sich wesentlich höhere Wasserabflussmengen ein. Die Schmelzwassermengen der kaltzeitlichen Frühsommer übertrafen die warmzeitlichen Perioden um ein Vielfaches. Schließlich ergab sich auch ein wesentlich höherer Sedimenttransport. Dies war eine Folge der intensiven Frostverwitterung, die große Gesteinsschuttmengen aus den umliegenden Mittelgebirgen entstehen ließen. Das Zusammenwirken all dieser Faktoren führte zur Entstehung von weitreichenden Schotterflächen mit entsprechenden Ablagerungen von Sand und Kies am Niederrhein.

In den Warmzeiten waren die zuvor beschriebenen Faktoren gar nicht oder nur mit ganz schwacher Auswirkung vorhanden. Die mäandrierenden Flüsse zeichneten sich während dieser Perioden durch wesentlich flachere Fließgefälle, viel geringere Wasserabflussmengen und deutlich geringere Sedimentation aus. Ein weiterer geologischer Faktor, der wesentlich zur Ausbildung der Flussterrassen und ihrer Ablagerungsmächtigkeit beitrug, waren die tektonischen Bewegungen im Rheinischen Schiefergebirge und in der Niederrheinischen Bucht.

Das Rheinische Schiefergebirge erfuhr während des gesamten Quartärs eine stetige Aufwärtsbewegung. Im Bereich des Mittelrheins war ein starkes Einschneiden des Rheins eine Folge dieser Hebungen. Die Niederrheinische Bucht blieb dagegen hinter diesen Hebungen zurück. Die Folge davon war, dass die ältesten Flussterrassen von Rhein und Maas (man unterscheidet Haupt-, Mittel- und Niederterrassen im Süden der Niederrheinischen Bucht) am höchsten liegen und nach Norden immer tiefer abtauchen.

Die Vorkommen liegen "oberhalb" des sogenannten Tertiär, einer Erdschicht in ca. 25 - 40 Metern Tiefe. Die Korngröße und die Qualität der Kiese und Sande nehmen rheinabwärts stetig ab, der Anteil an Sand pro Lagerstätte nimmt im Verhältnis zum Kies rheinabwärts zu. Kies und Sand sind damit eine wertvolle und wichtige heimische Ressource, bei der wir nicht auf Importe, lange kosten- und CO2-intensive Transportwege und Abhängigkeiten gegenüber Dritten angewiesen sind.

Die Kies- und Sandvorkommen in Deutschland reichen aus geologischer Sicht noch für viele hundert Jahre, wenn nicht sogar länger. Allerdings sind die Lagerstätten, wie oben beschrieben auf einige Regionen, wie eben den Niederrhein begrenzt. Aus diesem Grunde konzentriert sich der Abbau jeweils an diesen Orten, wie in anderen Regionen, z.B. der Kohlebergbau.

Es gilt der Grundsatz: Aus der Region für die Region.

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